Ausweitung der ökonomischen Kampfzone

Die Sprache der Wirtschaft ist martialisch. Es beginnt schon mit der vermeintlich harmlosen Formulierung „Wir sind gut aufgestellt“, die – was heute kaum mehr jemand weiß – der Aufstellung gegnerischer Heere in der Antike entlehnt ist. Dann war von „feindlichen Übernahmen“ die Rede, und angesichts der letzten Finanzkrise ging die Kriegsrhetorik dann mit dem Wirtschaftsjournalismus hemmungslos durch: Da wurden Finanzmärkte zu Schlachtfeldern, Händler zu willigen Soldaten, die mit Finanzprodukten um sich schossen, und die Finanzkrise wurde schließlich zum „Ersten Geldkrieg des 21. Jahrhunderts“ erklärt. Warren Buffet hatte Derivate und andere hochspekulative und risikoaffine Finanzprodukte bereits 2002 als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen billig Handgranaten ein und ziehen die Sicherungssplinte. Dann verkaufen Sie sie möglichst teuer weiter. Wer die Granaten noch hat, wenn sie explodieren, hat verloren. So ungefähr ließe sich das Szenario, das zur letzten Finanzkrise führte, dieser Rhetorik gemäß beschreiben.
Das kriegerische Moment der Wirtschaft beschränkt sich jedoch keineswegs auf die Sprache, sondern zeigt sich in direkten Anleihen aus der Kriegspraxis. So wurde etwa das sogenannte Assessment-Center – ein Verfahren der Personalauswahl, das angehende Führungskräfte ganz selbstverständlich durchlaufen – aus Tests entwickelt, denen Offiziersanwärter der deutschen Reichswehr nach dem Ersten Weltkrieg in einem sogenannten heerespsychologischen Auswahlverfahren unterzogen wurden.
Aber die ökonomische Aufrüstung geht noch weiter: Nach dem Vorbild des „War Room“, den Winston Churchill sich einst eigens als Kommandozentrale für den Kampf gegen Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg errichten ließ, werden inzwischen sogenannte „Management Cockpit War Rooms“ oder „Executive War Rooms“ als strategische Kommunikationszentralen oder Kommando-Brücken für Unternehmen propagiert und eingerichtet.
Und seit Kurzem bietet eine Agentur mit dem sprechenden Namen „Corporate Battlefields“ sogar Kurse an, in denen Führungskräfte auf ehemaligen Kriegsschauplätzen auf künftige „Übernahmeschlachten“ vorbereitet werden sollen. In diesen Zusammenhang steht auch das Victory-Zeichen, dem im Kontext des Zweiten Weltkriegs noch eine positive Bedeutung im Sinne eines Sieges der Alliierten über Nazi-Deutschland zukam. Auch hier hat sich der Gebrauch des Zeichens vom kriegerischen in den ökonomischen Bereich verlagert – eine Übertragung, die im Falle des Deutsche Bank-Chefs Josef Ackermann im sogenannten Mannesmann-Prozess von den Medien scharf kritisiert wurde.
Bereits Mitte des 17. Jahrhunderts stellte der niederländische Kaufmann Jan Pieter Coen fest, dass man weder Krieg ohne Handel noch Handel ohne Krieg führen könne. Daran anknüpfend könnte man Clausewitz’ berühmtes Diktum, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, dahingehend abwandeln, dass Wirtschaft – zumindest der globalisierte Finanzkapitalismus unserer Zeit – möglicherweise eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln bzw. teilweise ein nicht minder aggressiver und zerstörerischer Ersatz für Krieg sei. In diesem Sinne ist auch die äußerst deutliche Kritik des derzeitigen Papstes zu verstehen, der jüngst konstatierte: „Diese Wirtschaft tötet!“

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